Erbrecht

Inhaltliche Anforderungen an die Patientenverfügung - BGH Entscheidung  vom 06. Juli 2016 ( Az.: VII ZB 61/16)

Der BGH hat in seinem jetzt veröffentlichten Beschluss vom 06. Juli 2016 eine für das Erb- und Betreuungsrecht wichtige und grundlegende Entscheidung getroffen.

Eine schriftliche Patientenverfügung hat nur dann unmittelbare Bindungswirkung, wenn ihr konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen zu entnehmen sind. Allein die Aussage, "keine lebenserhaltenden Maßnahmen" zu wünschen, reicht nach Auffassung des BGH jedenfalls für sich genommen nicht aus, um eine konkrete Behandlungsentscheidung zum Ausdruck zu bringen (BGH Az.: XII ZB 61/16).

 

Mehr zu dieser Entscheidung und ihren Konsequenzen auf unserem Erbrechts-Blog.


Digitaler Nachlass - Eltern erben Facebook Account des Kindes Landgerichts Berlin 17.12.2015 (Az.: 20 O 172/15)

Nach der Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 17.12.2015 haben Eltern einen Anspruch auf Zugang zu dem Facebook-Konto ihres verstorbenen Kindes.
Das Landgericht Berlin hat entschieden, der Vertrag des verstorbenen Kindes mit dem Sozialen Netzwerk sei Teil des Erbes. Der digitale Nachlass sei nicht anders zubehandeln als etwa Briefe oder Tagebücher. Geklagt hatte eine Frau, deren Tochter 2012 unter bisher ungeklärten Umständen tödlich verunglückt war. Die Mutter hofft, über das Facebook-Konto etwaige Hinweise auf Motive für einen möglichen Suizid ihrer Tochter zu bekommen.

 

Weder Persönlichkeits- noch Datenschutzrechte stehen Vererbbarkeit entgegen

 

Das Persönlichkeitsrecht des verstorbenen Kindes steht der Entscheidung nicht entgegen. Als sorgeberechtigte Erben seien die Eltern berechtigt zu wissen, wie und worüber ihr minderjähriges Kind im Internet kommuniziere - sowohl zu Lebzeiten als auch nach dessen Tod. Der Zugriff der Eltern auf Pinnwandeinträge und Chats der Tochter verletzte auch nicht die Datenschutzrechte der Kommunikationspartner der Tochter. 

 

Ungeklärt bleibt nach dem Urteil, ob Facebook auch den Erben eines Erwachsenen vollständigen Zugang zum Konto des Verstorbenen gewähren muss.


Europäische-Erbrechtsreform

Neues Erbrecht seit dem 17.08.2015


Seit dem 17.08.2015 ist sie in Kraft, die Europäische Verordnung zum Internationalen Erb- und Erbverfahrensrecht, kurz EuErbVO.


Für viele unbemerkt - aber mit wohlmöglich weitreichenden Auswirkungen - hat sie das deutsche und europäische Erbrecht verändert.


Bisher galt nach deutschem Recht: Ein deutscher Staatsangehöriger wird nach den Regeln des deutschen Erbrechts beerbt, egal wo er lebt, egal wo er Vermögen hat.


Das Recht einiger anderer EU-Mitgliedstaaten sah das anders. So galt z.B. in Frankreich, dass das bewegliche Vermögen nach dem Recht des letzten Wohnsitzes des Erblassers, das unbewegliche Vermögen - also z.B. ein Grundstück - nach dem Recht des Staates vererbt wird, in dem das Grundstück belegen ist.

Einheitlich war das nicht, Streit und Schwierigkeiten waren vorprogrammiert. Hier soll die EuErbVO nun helfen.

Sie regelt seit dem 17.08.2015 einheitlich für alle EU-Mitgliedstaaten (mit Ausnahme von Großbritannien, Irland und Dänemark) welche nationale Erbrechtsordnung auf welche Erbfälle anzuwenden ist und welche staatlichen Stellen tätig werden dürfen. Die Verordnung legt einheitlich fest, ob ein Erbfall etwa dem deutschem oder dem Erbrecht eines anderen EU-Mitgliedstaates unterliegt.


Zukünftig entscheidet der Aufenthaltsort über das Erbrecht


Anknüpfungspunkt für die Frage, welches Recht auf den Erbfall anzuwenden ist, ist dabei nun nicht mehr wie bisher die Staatsangehörigkeit des Erblassers, sondern sein letzter gewöhnlicher Aufenthaltsort.


Konnten die Kinder eines deutschen Staatsangehörigen in der Vergangenheit sicher sein, dass sie zumindest für den in Deutschland gelegenen Nachlass ihren Pflichtteil auch dann fordern konnten, wenn die Eltern in ein Land ausgewandert waren, dessen Recht Kinder gegen die Enterbung nicht schützt, ist dies nun nicht mehr sichergestellt. Nach der EuErbVO gilt vielmehr zukünftig das Erbrecht des Staates in den die Eltern ausgewandert sind. Erkennt dieser Staat Kindern einen Pflichtteil nicht zu, können die Kinder eines deutschen Auswanderers nun auch für die in Deutschland gelegenen Vermögenswerte wohlmöglich keinen Pflichtteil fordern und gehen im Falle einer Enterbung leer aus.


Aber nicht nur die Frage, ob die Kinder einen Pflichtteil fordern können, auch die noch grundlegendere Frage, wer mein gesetzlicher Erbe ist wenn ich kein Testament mache, wird für einen Deutschen nun nicht mehr nach deutschem Recht beurteilt, sondern nach dem Recht des Ortes an dem er lebt.


Die auf die eigene Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Rechtsordnung kann sich daher durch eine Auswanderung, aber auch bereits durch einen längeren berufsbedingten Aufenthalt im Ausland, ändern, ohne dass es der betroffenen Person bewusst ist.


Wechsel des Wohnortes kann Nachlassplanung zunichtemachen


Allein Wechsel des Wohnortes macht daher wohlmöglich eine sorgfältig geplante und abgestimmte Nachlassregelung zunichte.


Ein Beispiel: Die Satzung einer GmbH bestimmt, dass nur bestimmte Personen, z.B. die anderen Gesellschafter, als Erben in die Gesellschaft eintreten dürfen. Dem entsprechend bestimmt der Gesellschafter, dass sein Geschäftsanteil nach seinem Tod auf einen anderen Gesellschafter übergeht. Sein weiteres Vermögen verteilt er an gemeinnützige Organisationen. Weder seine Ehefrau noch seine Kinder erwähnt er in seinem Testament, weil er davon ausgeht, dass sowohl seine Frau als auch seine Kinder nach seinem Tod ihren Pflichtteil verlangen können. Nachdem der Gesellschafter sein Testament gemacht hat, verlegt er seinen Wohnsitz in ein Land, das weder der Ehefrau noch den Kinder einen Pflichtteilsanspruch gewährt. Die Ehefrau und die Kinder würden nach dem Tod weder den Geschäftsanteil noch das weitere Vermögen erben und könnten auch keinen Pflichtteil geltend machen. Sie bekämen schlicht nichts.


Diese möglicherweise drastischen Folgen können durch eine Rechtswahl verhindert werden


Möglichkeit der erbrechtlichen Rechtswahl

Durch ein Testament oder einen Erbvertrag kann der Erblasser das Erbrecht des Staates wählen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. So kann ein dauerhaft auf Mallorca lebender Deutscher deutsches Erbrecht wählen und so sicherstellen, dass er auch zukünftig nach deutschem und nicht nach spanischen Recht beerbt wird.

Es kann aber durchaus auch Fälle geben, in denen es Sinn macht, keine Rechtswahl zu treffen, um so über das am Aufenthaltsort geltende Recht z. B. in den Genuss zu kommen, keine Pflichtteilsberechtigten zu haben oder den Pflichtteilsanspruch zu verringern.


Einführung des „Europäischen Nachlasszeugnisses“

Durch die EuErbVO wird ein einheitlicher europäischer Erbschein eingeführt, das Europäisches Nachlasszeugnis.

Das Nachlasszeugnis ist ein in allen Mitgliedsstaaten der EuErbVO anzuerkennender einheitlicher Erbnachweis, aus dem zu entnehmen ist, wer der Erblasser ist, wer sein Erbe wurde, wie hoch die Erbquoten sind, ob der Erbe Beschränkungen unterliegt, welche Befugnisse ein Testamentsvollstrecker hat und welche nationale Rechtsordnung auf den Erbfall anzuwenden ist


Das Europäische Nachlasszeugnis gilt unmittelbar in allen Mitgliedstaaten der EuErbVO. Wer ein Nachlasszeugnis in einem Mitgliedstaat ausgestellt bekommen hat, kann es unmittelbar zum Nachweis seiner Erbenstellung im Ausland nutzen. Ausländische staatliche Stellen der Mitgliedsstaaten müssen die im Nachlasszeugnis ausgewiesene Sach- und Rechtslage grundsätzlich anerkennen. Sie dürfen die Erbfolge oder die Berechtigung des Testamentsvollstreckers nicht erneut überprüfen. Hat also etwa ein deutsches Gericht über die Erbfolge eines Erblassers entschieden, sind grundsätzlich alle Stellen der übrigen Mitgliedstaaten der EuErbVO an diese Entscheidung gebunden.


Erben müssen daher künftig nicht mehr in jedem Mitgliedstaat einen neuen Erbnachweis beantragen.

 

Nachlasszeugnis hat nur eine begrenzte “Haltbarkeit“


Wichtig ist es, zu wissen, dass der Erbe nur eine beglaubigte Abschrift des Nachlasszeugnisses erhält. Auf dieser Abschrift wird vermerkt, wie lange das Nachlasszeugnis gültig ist. Die Gültigkeit ist auf 6 Monate beschränkt. Ist der Nachlass innerhalb der 6 Monate nicht abgewickelt, müssen die Erben oder der Testamentsvollstrecker rechtzeitig eine Verlängerung der Gültigkeit unter Angabe der Gründe beantragen.

Das Nachlasszeugnis muss in dem Staat beantragt werden in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hat. In Deutschland wird das Nachlasszeugnis wie der deutsche Erbschein beim Nachlassgericht am letzten Aufenthaltsort des Erblassers oder einem Notar beantragt.


Der deutsche Erbschein wird nicht wertlos


Der deutsche Erbschein wird nicht wertlos.


Das Europäische Nachlasszeugnis kann nur zur Verwendung im Ausland beantragt werden. Bei Erbfällen ohne Auslandsbezug, also in den Fällen in denen ein Deutscher in Deutschland verstirbt und keinerlei Nachlass im Ausland hat, muss auch in Zukunft ein deutscher Erbschein beantragt werden.

Besteht ein Bezug zum Ausland, sei es weil der Erblasser dort gelebt hat, sei es, dass in einem Mitgliedstaat Vermögen des Erblassers vorhanden ist, können zukünftig das Nachlasszeugnis und der Erbschein nebeneinander beantragt werden.


Bundeskabinett beschließt Gesetzesentwurf zur Erbschaft- und Schenkungsteuer

Am 17. Dezember 2014 hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG)  die bestehenden Verschonungsregelungen für betriebliches Vermögengrundsätzlich für geeignet und erforderlich gehalten, um Unternehmen in ihrem Bestand zu sichern und Arbeitsplätze zu erhalten. Nach der Auffassung des Gerichts verstößt die Ausgestaltung der Verschonungsregelungen jedoch teilweise gegen Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes.

 

Das Bundeskabinett hat nun am 8. Juli 2015 einen Gesetzentwurf zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beschlossen.

 

Wird das Gesetzt verabschiedet, gelten zukünftig folgende Verschonungsregeln.

 

Begünstigtes Vermögen

 

Nach dem bisher geltenden Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht wird das gesamte Betriebsvermögen in einem bestimmten Umfang verschont. Voraussetzung für die Verschonung ist jedoch,dass das Betriebsvermögen lediglich einen Verwaltungsvermögenanteil von bis zu 50 % erreicht. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass zukünftig nur sog. begünstigte Vermögen verschont werden kann, wobei Begünstigt ist solches Vermögen, das überwiegend seinem Hauptzweck nach einer gewerblichen, freiberuflichen oder land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit dient.

 

Verschonungsregeln

 

Wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind, kann der Erwerber wie im bisher geltenden Recht wählen, ob das begünstigte Vermögen zu 85 % oder zu 100 % von der Erbschaft und Schenkungsteuer befreit wird:

 

Entscheidet sich der Erwerber für die Verschonung in Höhe von 85 % des begünstigten Vermögens, muss er den Betrieb mindestens fünf Jahre fortführen (Behaltensfrist) und nachweisen, dass die Lohnsumme innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb insgesamt 400 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet (Lohnsummenregelung).

 

Bei der Wahl der vollständigen Befreiung von der Erbschaftsteuer zu 100 % muss der Erwerber die Behaltensfrist von sieben Jahren einhalten und nachweisen, dass er insgesamt die Lohnsumme von 700 % im Zeitraum von sieben Jahren nicht unterschreitet (Lohnsummenregelung).

 

Verschärfung der Lohnsummenregelung

für kleine Betriebe

 

Von dieser Lohnsummenregelung waren Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten unabhängig von ihrer Größe gänzlich ausgenommen. Tritt das neue Gesetz in Kraft, wird sich diese Verschonungsregelung wesentlich ändern. Zukünftig steigen dann die Anforderungen an die Lohnsummenregelung mit der Zahl der Beschäftigten:


Bei Unternehmen mit bis zu 3 Beschäftigten wird auf die Prüfung der Lohnsummenregelung verzichtet.

Bei Unternehmen mit 4 vier bis 10 Beschäftigten gilt, dass bei einer Behaltensfrist von mindestens fünf Jahren die Lohnsumme 250 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschreiten darf. Bei einer Behaltensfrist von mindestens sieben Jahren darf die Lohnsumme 500 % nicht unterschreiten.

Bei Unternehmen mit 11 bis 15 Beschäftigten gilt, dass bei einer Behaltensfrist von mindestens fünf Jahren die Lohnsumme 300 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschreiten darf. Bei einer Behaltensfrist von mindestens sieben Jahren darf die Lohnsumme 565 % nicht unterschreiten.

Beschäftigte in Mutterschutz oder Elternzeit, Langzeiterkrankte und Auszubildende werden nicht mitgerechnet.

 

Große Betriebsvermögen

 

Nach dem derzeitigen Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht wird nicht geprüft, ob der Erwerber einer Verschonung überhaupt bedarf, also ob er die Erbschafts- oder Schenkungsteuer zahlen könnte oder nicht. 

 

Dies soll sich zukünftig ändern.

 

Beim Erwerb großer Unternehmensvermögen mit einem begünstigen Vermögen von über 26 Mio.Euro (Prüfschwelle) hat der Erwerber nach dem Gesetzesentwurf in Zukunft das Recht, zwischen einer Verschonungsbedarfsprüfung oder einem besonderen Verschonungsabschlag zu wählen. Bei Vorliegen bestimmter für Familienunternehmen typischer gesellschaftsvertraglicher oder satzungsmäßiger Beschränkungen wird die Prüfschwelle auf 52 Mio. Euro angehoben.

 

Wählt der Erwerber die Verschonungsbedarfsprüfung muss er nachweisen, dass er persönlich nicht in der Lage ist, die Steuerschuld aus sonstigem nichtbetrieblichem bereits vorhandenen oder aus mit der Erbschaft oder Schenkung zugleich übergegangenen nicht begünstigtem Vermögen zu begleichen. Genügt dieses Vermögen nicht, um die Erbschaft- oder Schenkungsteuer betragsmäßig zu begleichen, wird die Steuer insoweit erlassen.

 

Bei begünstigtem Vermögen von über 26 Mio. Euro bzw. 52 Mio. Euro kann sich der Erwerber anstelle einer Verschonungsbedarfsprüfung für das sogenannte Verschonungsabschmelzmodell entscheiden. Hier erfolgt eine Teilverschonung, die mit zunehmendem Vermögen schrittweise verringert wird.

 

Dabei sinkt die Verschonung schrittwiese für jede zusätzlichen 1,5 Mio. Euro, die der Erwerb über der jeweiligen Prüfschwellevon 26 Mio. bzw. 52 Mio. liegt, um jeweils 1 % bis zu einem Wert begünstigten Vermögens von 116 Mio. Euro bzw. 142 Mio. Euro (bei Vorliegen bestimmter gesellschaftsvertraglicher oder satzungsmäßiger Beschränkungen). Ab 116 Mio. Euro bzw. 142 Mio. Euro gilt ein einheitlicher Verschonungsabschlag von 20 % (bei einer Haltefrist von fünf Jahren) bzw. von 35 % (bei einer Haltefrist von sieben Jahren).


 


Zweite Ehefrau kann Erbeinsetzung der ersten Ehefrau anfechten OLG Hamm, 28.10.2014

Hat der nach Scheidung wiederverheirate Ehemann in einem während seiner ersten Ehe errichteten Testament seine erste Ehefrau als Erbin eingesetzt, kann seine im Testament nicht berücksichtigte zweite Ehefrau das Testament nach dem Tod ihres Ehemanns regelmäßig anfechten. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm mit Beschluss vom 28.10.2014 entschieden. Es änderte damit den erstinstanzlichen Beschluss des Amtsgerichts Arnsberg ab.


Zweite Ehefrau fühlt sich als Pflichtteilsberechtigte übergangen

 

Der 1945 geborene Erblasser aus Arnsberg heiratete 1982 seine erste Ehefrau und errichtete mit ihr im Jahr 2003 ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament, in dem sich die Eheleute wechselseitig zum alleinigen Erben des Erstversterbenden einsetzten. In einem Nachtrag vereinbarten die Eheleute, dass das Testament auch im Fall der Ehescheidung gelten solle. Die Ehe wurde 2011 geschieden. Kurz darauf heiratete der Erblasser seine zweite Ehefrau. Mit dieser errichtete er Anfang 2012 ein notarielles Testament, in dem er unter anderem seine früheren letztwilligen Verfügungen widerrief. Zu Lebzeiten des Erblassers ist das notarielle Testament aus dem Jahr 2012 der ersten Ehefrau nicht übermittelt worden. Nach dem Tod des Erblassers im Februar 2013 hat die zweite Ehefrau das Testament aus dem Jahr 2003 angefochten, weil sie als Pflichtteilsberechtigte übergangen worden sei. Die erste Ehefrau hat das Testament von 2003 für wirksam erachtet und die Erteilung eines sie als Alleinerbin ausweisenden Erbscheins beantragt.

 

OLG: Erstes Testament nicht wirksam widerrufen

 

Der Erbscheinantrag der ersten Ehefrau ist vor dem OLG erfolglos geblieben. Die erste Ehefrau sei nicht Erbin geworden, weil die zweite Ehefrau das Testament aus dem Jahr 2003 wirksam angefochten habe. Das Testament von 2003 sei zwar aufgrund des Nachtrags der damaligen Eheleute nicht mit der Scheidung unwirksam geworden. Auch habe es der Erblasser mit dem 2012 errichteten, neuen Testament nicht wirksam widerrufen, weil der Widerruf gegenüber der ersten Ehefrau zu erklären gewesen wäre und der Erblasser es zu seinen Lebzeiten versäumt habe, seiner ersten Ehefrau den Widerruf zu übermitteln.


Erstes Testament aber wirksam angefochten

 

Die zweite Ehefrau habe das erste Testament aber wirksam angefochten. Sie habe die Anfechtung innerhalb der mit dem Tod des Erblassers beginnenden Jahresfrist erklärt. Die Anfechtung sei sachlich begründet, weil die zweite Ehefrau zur Zeit des Erbfalls eine Pflichtteilsberechtigte sei, die das Testament aus dem Jahr 2003 nicht berücksichtige. Das berechtige zur Testamentsanfechtung, weil das Gesetz vermute, dass der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten bei Kenntnis der späteren Sachlage nicht übergangen hätte. Eine Anfechtung sei nur dann ausgeschlossen, wenn anzunehmen sei, dass der Erblasser die in Frage stehende letztwillige Verfügung auch bei Kenntnis der späteren Sachlage getroffen haben würde. Hiervon sei im vorliegenden Fall nicht auszugehen. Nach dem seinerzeit vereinbarten Nachtrag habe das Testament des Jahres 2003 nur bei der Scheidung weitergelten sollen. Dafür, dass es nach dem Willen des Erblassers auch im Fall seiner Wiederverheiratung weitergelten sollte, gebe es keine konkreten Anhaltspunkte.